Wir entdecken unsere Stadt (NEU) - Hotel Graas

Hôtel Graas

Wir entdecken unsere Stadt (NEU) - Hotel Graas

Sie glauben, Sie kennen sich in unserer Hauptstadt aus? Wenn Sie sich da mal nicht täuschen. Einige Gebäude, an denen Sie regelmäßig vorbeigehen, haben eine ganz besondere Geschichte. Dr. Robert L. Philippart ist ein echter Experte auf diesem Gebiet und begibt sich mit Ihnen auf Entdeckungstour zu verborgenen Geschichten, die Sie diese Wahrzeichen mit anderen Augen sehen lassen.

Das Hotel Graas, ein Art-déco-Juwel

Robert L. Philippart

Dies ist eines der schönsten Art-déco-Gebäude im Bahnhofsviertel. Die Fassade des ehemaligen Hotel Graas (Place de la Gare 80) ist trotz des Umbaus auf Erdgeschossebene im historischen Stil ausgewogen und besteht vollständig aus behauenen Quadersteinen. Auf Höhe der dritten Etage ist sie mit einer Doppelkolonnade verziert, deren geometrische Formen sich rhythmisch abwechseln. Hinzu kommen ein elegantes stilisiertes Blütendekor und polygonale Balkonbrüstungen. Das Innere weist auf den öffentlichen Raum, denn jedes Zimmer hat sein Fenster an der Fassade, sodass alle Hotelgäste am Treiben vor dem Haus teilhaben können, ohne sich ins Getümmel zu stürzen. Der Name des Hotels ist zugleich der seines Gründers und verweist damit auf dessen Identifizierung mit seinem Lebensprojekt – anders als Hotels, die nach einem Ort benannt sind (Hotel de Paris, Hotel Terminus), aber auch Hotels, die den Namen einer Aktivität tragen (Hotel des Voyageurs, Hotel du Commerce).

Ein Art-déco-Juwel

Das 1930 eröffnete Hotel mit seinen 35 Zimmern wurde von Louis Rossi entworfen, einem der besten Art-déco-Architekten, die je in Luxemburg tätig waren. Rossi stammte aus Lugano, wo er an der Kunstgewerbeschule studierte, bevor er sich an der königlichen Kunstakademie in Mailand einschrieb. Sein Talent wurde von dem berühmten Bildhauer Cesare Cattaneo gefördert. Rossi ist zudem für das Inventar zum Gedenken an das Werk des Bildhauers Vincenzo Vela (1820–1891) bekannt, das heute im Museum Vincenzo Vela in Ligornetto (CH) ausgestellt ist.

Rossi folgte der Einladung des Unternehmers Achille Giorgetti und machte in Luxemburg zwischen 1919 und 1937 eine kurze Karriere. Sein Aufenthalt war für die Architektur in Luxemburg von großer Bedeutung. Neben dem Hotel Graas entwarf Rossi außerdem das Hotel du Parc in Esch/Alzette, das Hotel Cecile und das Hotel Regina, das Hotel du Midi, das Grand Hotel du Chemin de Fer (alle in der Rue Joseph Junck) und das Hotel Lunkes (Rue de Strasbourg). „Professor“ Rossi entwarf die Villa von Achille Giorgetti in der Avenue Guillaume und viele weitere Villen in Hollerich. Sein schönster Villenentwurf ist die imponierende Residenz des ehemaligen Notars Knaf in Wormeldange. Alle Gebäude bezeugen das genaue Studium der Volumina, eine höchst formorientierte Anordnung der geometrischen Elemente und die durchdachte Anwendung organischer Formen bei Fassaden und Innengestaltung mit Schmiedeeisenelementen. Das stilisierte, in den weißen Kalkstein des Hotel Graas gehauene Blütendekor zählt zu den Meisterwerken des Art déco im öffentlichen Raum. „Die Innenräume spiegeln die aufrichtige Freude bei ihrer Gestaltung wider. Seine virtuosen Ensembles aus Marmor, Bronze, Schmiedeeisen und Holz sind eins ums andere Kompositionen von unbestreitbarem künstlerischem Wert“, wie in der ihm gewidmeten Publikation vom Ende der 1930er Jahre zu lesen ist. Der Giebel in der Mitte dieser ausgewogenen Fassade trägt stolz den Namen des Hotel Graas zur Schau.

Von Kessel-Clesse zu Graas

Das Gebäude war eines in einer Dreierreihe von Objekten, die nach dem Grundstücksverkauf 1928 neu errichtet wurden. Grundstückseigentümer waren die Cafetiers Kessel-Clesse, die auf der Höhe des Hotel Alfa ihren Sitz hatten. Die Familie Kessel-Clesse führte den Betrieb noch bis 1928, bevor sie das Grundstück an den Unternehmer Eugène Muller abtrat.

Der 1881 geborene Pierre Graas trat als Grundstückskäufer auf und beauftragte Rossi mit dem Bau des Hotels. Bereits 1910 wurde Graas als Betreiber des „Zum Augustiner“ im Bahnhofsviertel von Luxembourg genannt. Das Etablissement war nach dem berühmten Münchner Bierlokal benannt, das dort seine Biere anbot.

Das Hotel und der „Augustiner“ eröffneten am 12. Juli 1930 an der Adresse 80 Place de la Gare. Dem beeindruckenden Hotelprojekt fehlte jedoch eine Gästegarage, wie sie das Hotel Alfa (1932) und das Hotel Kons (1934) bald danach anboten. Das mit der Eröffnung rekrutierte weibliche und männliche Personal des Etablissements musste wegen der internationalen Kundschaft sowohl das Französische als auch das Deutsche beherrschen.

Der Augustiner

Der „Augustiner“ war einer der Hauptorte für die Versteigerung prestigeträchtiger Immobilienprojekte zur Kapitalanlage: Hotel Walsheim, Grevelschloss, Kino-Palace, große Gewerbeflächen in Hollerich bzw. Bonneweg oder auch in der Rue de Strasbourg und viele weitere Namen tauchen in den Angaben der Notarkanzleien auf, die für ihre Geschäfte die vornehmen Räumlichkeiten der Gaststätte mit ihrem „prächtigen Saal“ sowie einem Billardraum wählten. Der Augustiner war auch unter den freien Berufen und den Angestellten im Viertel beliebt, die die wohlschmeckenden Biere aus München und Diekirch schätzten. Die Neuausrichtung der Wirtschaft von der Zollunion mit Deutschland auf die Belgisch-Luxemburgische Wirtschaftsunion hin hatte der Lust auf Bier nicht geschadet. Auch Antikschmuckhändler suchten die Räume auf und boten hier seltenen Schmuck mit Herkunftsnachweis zum Kauf an. 1935 eröffnete das Versicherungsunternehmen Union de Paris im Hotel Graas eine Niederlassung. 1938 eröffnete Dr. Gaston Ternes im ersten Stock des Etablissements seine Zahnarztpraxis. Er hatte Georgette geheiratet, die Tochter von Pierre Graas. Dieser verstarb am 27. August 1940. Er wurde 1945 als eine der Luxemburger Persönlichkeiten verzeichnet, die während der Okkupation verstarben.

Schach- und Billardmeisterschaften

Daneben hat das Hotel Graas auch eine sportliche Geschichte, denn im Saal der Gaststätte fanden an Wochenenden und Montagen nationale Billard- und Schachmeisterschaften statt, bei denen mitunter auch internationale Teilnehmer anwesend waren. Auch hatte hier der nationale Schachverband seinen Sitz.

Nach mehreren Eigentümerwechseln und der Schließung des Hotels wurden die Räumlichkeiten umgebaut. Im Erdgeschoss befand sich über zwei Jahrzehnte eine Bankfiliale. Das Grundstück wurde schließlich mit dem des ehemaligen Hotels Terminus zusammengelegt und umfasst nun 3.500 m² Büroflächen.

© Photothèque de la Ville de Luxembourg – Collection Weydert Marcel

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